Sonntag, 12. Oktober 2014

Opportunity...




Gestern wurde mir mal wieder bewusst, wieso ich dieses Jahr mache und wieso es trotz manchem Zweifel keine Falsche Entscheidung war nach Japan zu gehen. Denn sonst würde mir nicht so etwas passieren und keine Zufälle würden Abende an denen ich eigentlich nur noch allein sein will in die besten Erfahrungen und spaßigsten Erlebnisse verwandeln.

Kontext:
Ich habe natürlich viele Kindern an der Schule kennen gelernt, manche besser, manche weniger gut. Am besten kenne ich die Preschool Kinder, Grade 1 und Grade 2 kenne ich auch recht gut, Grade 3/4, Grade 5/6, Pre- und Kindergarten kenne ich aber weniger gut, da ich dort nicht eingesetzt werde. Abseits dieser Gruppen gibt es aber noch die Buskinder, die aus allen Stufen kommen, sodass ich zum Beispiel auch ein paar Kinder aus dem Kindergarten sehr gut kennen lernen konnte. Natürlich kommen manche Kinder auch besser mit einem aus und manche wieder weniger gut. Dann gibt es die mit denen ich nie zu tun habe und die, die an mir hängen und sich immer freuen mich zu sehen. Kurz: Die die mich scheinabr wirklich gern haben und mit denen ich sehr gut auskomme.
Eines dieser Kinder kam aus dem Kindergarten. Keiko ist vier Jahre alt und ist letzten Monat in dem Bus gefahren den ich betreut habe. Dieses Kind hat zwei prägende Eigenschaften: Es kann sehr gut Englisch und kann außerdem ohne Ende reden. Das mag jetzt vielleicht nervig klingen, aber ich habe es immer sehr genossen auf der Busfahrt jemandem zum Reden zu haben. Vor allem Dienstags war es immer gut, da war ich mittags nur mit ihr allein unterwegs. Die ganze Busfahrt konnten wir uns unterhalten und es hat echt viel Spaß gemacht. Keiko hat viel erzählt, sodass ich viel über sie erfahren habe. Sie wohnt jetzt nicht mehr in Japan, ist nach Europa gezogen und wird dort für einige Jahre leben. Ich habe auf jeden Fall immer eine Menge Spaß mit ihr zusammen im Bus gehabt und da sie auch alles was ihr passiert ihrer Mutter erzählt, was natürlich auch mich beinhaltet hat, habe ich auch einen guten Draht zu ihrer Mutter aufgebaut. Man hat immer mal ein paar Worte gewechselt wenn man sich gesehen hat, die Hauptarbeit hat aber Keiko mit ihren Geschichten gemacht. Ich konnte also eine gute Verbindung zu ihrer Familie aufbauen.

Jetzt aber zur eigentlichen Story:
Oktoberfest. Dieses Fest ist ein großes Ereignis an der Schule und wenn ich groß sage, dann meine ich auch groß. Bier, Würstchen, Sauerkraut, Kartoffelsalat, Kuchen, Brezeln, bayrische Volksmusik und Angebote zur Unterhaltung der Kinder so weit das Auge reicht. Ein sehr guter Platz um Spaß zu haben und den Samstag zu genießen. Leider war mir das nur begrenzt möglich. Ich musste arbeiten. Irgendjemand muss ja die ganzen Leckereien verkaufen und die Angebote für die Kinder betreuen und das macht der Schul-Staff. Ich war für zwei Schichten eingeteilt. Die erste von 11 Uhr bis 14 Uhr an der Hüpfburg und die zweite von 14 Uhr bis 18 Uhr am Kuchenverkauf. Ohne richtige Pausen. Dementsprechend bin ich zwar enthusiastisch, aber auch etwas genervt und enttäuscht in den Samstag gegangen. Da feiere ich mein erstes Oktoberfest und muss die ganze Zeit arbeiten, habe kaum Zeit das alles zu genießen. Na ja, Arbeit ist Arbeit, also keine Klagen und hoffen, dass ich irgendwann mal Pause machen kann.
Dieser Tag war übrigens nicht nur Oktoberfest, sondern auch Keikos letzter Tag in Japan. Glücklicherweise war ich mit ihrer Mutter in der ersten Schicht eingeteilt, sodass ich wenigsten jemanden hatte mit dem ich mich gut verstehe und mich unterhalten kann. Und glücklicherweise war es in der ersten Hälfte unserer Schicht noch nicht so voll, eine Person war meistens genug um auf die Hüpfburg zu achten. Keikos Mutter hat mir also angeboten auch mal weg zu gehen und das Fest zu genießen. Ich wollte meine Pflicht aber auch nicht vernachlässigen und als Kompromiss habe ich dann den Privatbabysitter für Keiko gemacht. Ich bin also über das Oktoberfest gelaufen mit einer hüpfenden, strahlenden 4-jährigen an der Hand. Das hieß zwar kein Bier, keine Würstchen und den ganzen Erwachsenenkram, aber mit Keiko hat man so oder so genug Spaß. Den Mittag habe ich also mit ihr Kuchen gegessen, abwaschbare Tattoos gemacht und Fun Fishing gespielt. In der zweiten Hälfte der Schicht wurde es dann voller, sodass ich die ganze Zeit an der Hüpfburg beschäftigt war.
Die zweite Schicht war weniger aufregend. Kuchenverkauf. Von 14 Uhr bis 17 Uhr habe ich nichts anderes gemacht als ununterbrochen Kuchen zu verkaufen. Eher weniger spannend, ich spare die Details aus. Um 17 Uhr war Schluss, weil kein Kuchen mehr übrig war. Ich war klug genug mir schon vorher welchen zu sichern, als das Angebot noch groß war. Habe ich grade gegessen, sehr lecker. Danach wurde dann aufgeräumt, wo vor ich mich natürlich auch nicht gedrückt habe. Zumindest nicht die ganze Zeit. 10 Minuten Auszeit habe ich mir dann doch noch mal gegönnt. Zwei Freibier und eine Brezel konnte ich auch noch abgreifen. Wäre ja auch traurig gewesen: Oktoberfest ohne ein Bier. Die Würstchen und den Kartoffelsalat hatte ich schon vorher probiert, ebenfalls sehr lecker.
Gegen 18 Uhr neigte sich alles dem Ende entgegen. Uns Freiwilligen wurde erlaubt zu gehen und hier habe ich die erste wichtige Weiche für den Abend gestellt. Ich bin nämlich nicht gleich zusammen mit den anderen gegangen sondern habe noch gewartet, den Danksagungen zugehört. Ich wollte mich noch verabschieden. Es war der letzte Abend in Japan für Keikos Familie. Kontaktdaten waren schon ausgetauscht. Letzte Umarmungen, das letzte "Auf Wiedersehen..." und dann habe ich mich auf den Weg gemacht.
Aus einer Laune heraus habe ich die zweite wichtige Weiche gestellt um diesen Abend perfekt zu machen. Ich war emotional ein wenig mitgenommen. Zum einen der Abschied, zum anderen kamen auch wieder Heimweh und Sehnsucht an die Oberfläche. Ich habe mich entschlossen nicht direkt an der nächsten Station einzusteigen, sonder durch die Nacht bis zur zweiten zu laufen, um die Gedanken schweifen zu lassen. Ich würde zwar später Zuhause sein, aber das war mir egal. Ich brauchte etwas Zeit für mich.
An der zweiten Station angekommen fährt gerade der Zug ein. Und weil ich zwei Mal nicht den schnellsten Weg nach Hause genommen habe, habe ich die entscheidende Begegnung gemacht. Wer strahlt mich durch die Glastür vom hintersten Wagon an und winkt mir aufgeregt zu? Keiko. Das hat meine Laune gleich verbessert. Die Tür öffnet sich und ich höre ihre Rufe "Mama, Mama! Look, it's Lennart!". Da sitzen Keikos und Lunas (ein anderes Mädchen aus dem Bus und Keikos beste Freundin) Familien auf ihrem Weg nach Hause. Keikos Mutter ist verwundert. Wieso steige ich hier ein? Ich erkläre, dass ich nur Lust auf einen Spaziergang hatte. Die beiden kleinen Mädchen sind total aufgeregt und hüpfen schon die ganze Zeit um mich herum. Keikos Mutter fragt mich wo ich wohne. In der Nähe von Motomachi. Was für ein Zufall, da müssten sie auch hin. Wie sich heraus stellt ist ihr Hotel ganz in der Nähe vom meinem Sharehouse. Ob ich noch mehr Zeit mit ihnen verbringen will, sie würden heute zur Feier des letzten Abends traditionell japanisch Essen gehen, ob ich mitkommen mag? Ich hatte keine weiteren Pläne für den Abend, also warum nicht?
Mit einem aufgeregt hüpfenden kleinen Mädchen an jeder Hand mache ich mich also auf den Weg in Richtung Motomachi. Die beiden sind einfach klasse. Ich würde sofort als Babysitter arbeiten um auf die beiden aufzupassen. Irgendwann werden sie wahrscheinlich echt anstrengend, aber das wäre es wert. Wir habe noch Keikos Vater abgeholt und dann ging es in das Restaurant.
Und was für ein Restaurant das war. Es war unglaublich edel und mein erstes Mal in einem wirklich traditionellen japanischen Restaurant. So mit auf dem Boden sitzen, niedrigen Tischen und ganz viel Fisch zu essen. Sagte ich schon mal, dass ich japanisches Essen total gerne mag? Und dieses Essen war top! So lecker habe ich ewig nicht gegessen. (Trotzdem ein Shout-Out an die Kochkünste meiner Eltern! Ihr macht der sehr gut!) Der Abend war genial. Bier und großzügig ausgeschenkter Sake haben unter uns Erwachsenen die Stimmung gelockert und ich habe mich sehr gut unterhalten. Ich bin schon eingeladen Keikos Familie nächstes Jahr zu besuchen, wenn ich auch wieder in Europa bin und ich werde mein möglichstes tun diese Einladung anzunehmen. Während die Kinder um den Tisch turnten, mit mitgebrachten Spielzeug wieder ruhig gestellt wurden und mir "Liebesbriefe" (Sticky Notes in Herzform mit allen Buchstaben die sie schon kennen und Bilder von Gesichtern und Hintern (? :D)) geschrieben haben, habe ich das Essen und diesen einmaligen Abend genossen. Es war unglaublich schön. Danke an diese Fügung des Schicksals :)
Es gab dann noch einen weiteren Abschied. Diesmal wirklich vorerst das letzte Mal Keiko gedrückt und mich von den Eltern verabschiedet und mit dem Gefühl das Schicksal auf meiner Seite zu haben und selten vorkommender so extrem guter Laune nach Hause gelaufen.
Und der Abend war noch jung. Ich will mich kurz fassen. Ich bin noch mit Kollegen von der Schule und meinen Mitfreiwilligen in eine Bar gegangen in der eine sehr gute Liveband gespielt hat. Einfach mal wieder Musik, Tanzen, Spaß haben.
Alles in allem ein unglaublich guter Abend :)
Der erste von fünf Gängen des japanischen Menüs

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